Presstext
Abgegeben an der Medienorientierung vom 21.6.1999

Zur Kulturstadt Basel gehört eine weitere nicht ganz alltägliche urbane Kultur, die den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht: die zeitliche befristete und meist kulturelle Nutzung von brachliegenden Arealen - kurz Zwischennutzung genannt. Auch in etablierten Kreisen sind die Projekte Schlotterbeck, Bell, Warteck und Epoque weitgehend aktzeptiert worden.

Ein neues Areal bietet sich gegenwärtig für zeitlich befristete kulturelle Aktivitäten an. Das Güterbahnhofareal der Deutschen Bahn AG - ein 18 Hektaren grosses Gleisfeld mit einer rund 100x200m2 grossen Umschlaghalle und vereinzelten weiteren Gebäuden. Hier soll in den kommenden Jahrzehnten eines der grössten zusammenhängenden städtebaulichen Projekte der Stadt Basel realisiert werden: Ein neues Wohnquartier, Gewerbe und grosszügig konzipierte Grünflächen sollen mithelfen, das untere Kleinbasel aufzuwerten.

Basierend auf den Resultaten des städtebaulichen Ideenwettbewerbs handeln gegenwärtig die Deutsche Bundesbahn und der Kanton Basel-Stadt die vertraglichen Modalitäten aus. Noch in diesem Jahr soll der zweite Rundgang des Wettbewerbs eröffnet werden, um anschliessend das Areal in die raumplanerische Baureife zu überführen. Damit wären die rechtlichen Voraussetzungen für eine Bebauung gegeben. Diese Methodik der formellen Planung gleicht derjenigen des 19. Jh. Doch damals war die Ausgangslage anders, denn die bauliche Realisierung war Folge einer immensen Nachfrage durch die explosionsartig wachsende Bevölkerung.

Heute bleibt die Frage offen, ob in Basel die Voraussetzungen für die erhoffte Entwicklung gegeben sind. Dem DB-Areal fehlt eine Identität, es ist bei der Bevölkerung weitgehend unbekannt, belastet von Immissionen der allgegenwärtigen Verkehrsinfrastrukuren, am Rande eines Quartiers mit problematischen Image gelegen, und schliesslich Teil einer Stadt gelegen, die schrumpft. Was ist, wenn die Investoren dieses Risiko zu hoch einschätzen? Und wie wird sich der Standort entwickeln, wenn die ersten Fragmente nur gerade die Problemlagen des Quartiers abbilden?

"Akupunktur für Basel" nennen die beiden Autoren Matthias Bürgin und Philippe Cabane - beide auf Stadtentwicklung und Kulturvermittlung spezialisiert - ihre Studie, worin sie diese Risiken als Chance wahrnehmen und vorschlagen, aus der Not eine Tugend zu machen. Wenn es dem weitgehend leeren Areal an Identität fehlt und den Nachbarquartieren an öffentlichen Freiflächen, so wird die mögliche Synergie offensichtlich. Die vorgeschlagene Methode der informellen Planung kann die Realisierung des formellen Plans gerade dadurch beschleunigen, dass bereits heute einem der wichtigstens Bedürfnisse der Quartiere nachgekommen werden soll: dem Mangel an öffentlichen Freiräumen. Zwischennutzungen bieten sich hierfür geradezu an.

Weil Handeln grundsätzlich flexibler gestaltbar ist als Bauen, sollen die Zeit bis zur Fertigstellung des neuen Quartiers dafür ausgenützt werden, dass ein breiter öffentlicher Austausch und Aktivitäten und Interventionen vorwiegend aus dem kulturellen und (klein)gewerblichen Sektor stattfinden kann.

Als erstes soll die Öffentlichkeit Zugang auf das ”Niemandsland” bekommen, u.a. mit Nutzungen, welche Publikum anziehen: z.B. ein Restaurant in der ehemaligen Kantine und kulturelle Veranstaltungen, aber auch Freizeitangebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, dazu multikulturelle Märkte in den Lagerhallen und innovative junge Betriebe, sowie bald schon einen Park mit direkter Verbindung in die Langen Erlen. Mit solchen Massnahmen erreicht man zweierlei: erstens eine Aufwertung dieses unbekannten Stadtgebietes, was sich positiv auf den Ruf auswirkt und zweitens eine Standortentwicklung zur besseren Vermarktung dieses doch etwas belasteten Areals.
Zur Realisierung einer solchen Entwicklungsstrategie braucht es die gemeinsame Zustimmung der Entscheidungsträger von DB AG und Kanton BS, sowie eine neutrale Entwicklungsagentur als dritte Instanz, welche sämtliche in pertnerschaftlichem Verhältnis Aktivitäten initiiert und steuert, wie auch die Räume und Flächen verwaltet. Besonderheit dieses Vorgehens, welches den ordentlichen Planungsprozess nicht konkurrenziert, sondern unterstützt: es ist absolut innovativ und könnte das Image der Stadt Basel insgesamt positiv beeinflussen.

Basel, 21.6.1999, Matthias Bürgin/Philippe Cabane